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(26/01/06) Quo vadis Europa?

Toespraak van Commissaris voor Buitenlandse Zaken Ferrero-Waldner over de toekomst van Europa aan de universiteit van Salzburg op 26 januari 2006.

Quo vadis Europa?
Die EU im Zeitalter der Globalisierung

Universität Salzburg 26.1. 2006

I.
Magnifizenz!
Spektabilität!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Studentinnen und Studenten!

Es ist mir eine Freude, heute als Absolventin dieser altehrwürdigen Universität an meine „akademischen Wurzeln“ zurückzukehren.

Es freut mich nicht nur als Salzburgerin, sondern auch als Europäerin. Denn unsere Universitäten sind Laboratorien jener europäischen Identität, die wir als Basis des EU-Erfolgsprojektes brauchen.

Europa heißt, „Grenzen zu überschreiten“. Denken Sie nur an den großen Salzburger, das europäische Genie Mozart, der ein Drittel seines Lebens im europäischen Ausland verbracht hat.

Heute sind nach einer aktuellen Umfrage 98% der Salzburgerinnen und Salzburger „stolz Europäer zu sein“. Das ist der bei weitem höchste Wert in Österreich.

Leider kann dieser Salzburger Optimismus nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU vor einer Bewährungsprobe steht:

Die Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden im letzten Jahr waren ein Blitzableiter für einen tieferen Vertrauensverlust der Bürger. Es ging nicht so sehr um den Text des Verfassungsentwurfes, sondern um den politischen Kontext. Die EU ist daher auf der Inhaltssuche.

Diese Richtungsdebatte ist eine Chance, Europa anzukurbeln und es „neu zu gründen und zu begründen“ Wir brauchen neuen Elan und eine neue „Euro-Vision“.

Es wäre daher unsinnig, in Untergangrhetorik zu verfallen. Zu diskutieren, ob die Verfassung „tot“ ist, mag für Mediziner interessant sein. Politisch ist das nicht sehr sinnvoll.

Die Verfassung war einige Zeit im „Gefrierfach“, um eine breite Debatte zu ermöglichen. Jetzt ist es Zeit, sie langsam „aufzutauen“.

Wenn wir also die Frage „Quo vadis, Europa?“ stellen, dann müssen wir - nach einer Bestandsaufnahme - auch Lösungen anbieten. Wir müssen von der Analyse zur Therapie schreiten.


II.

Meine Damen und Herren!

Zu meinem ersten Punkt, der Analyse.

Wir sollten, bei aller nötigen Kritik, nicht vergessen, was für ein enormes Erfolgsprojekt die EU ist.

All das, was für mich und meine Generation noch außergewöhnlich war — weil wir es selbst oder über unsere Eltern ganz anders kannten — ist heute selbstverständlich. Aber an dieser Selbstverständlichkeit scheint Europa zu kränkeln.

Friede und Freiheit, Wohlstand und Sicherheit sind heute Realität in der EU. Krieg als „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist undenkbar. Das ist zum wesentlichen Teil der Erfolg der Integration.

Doch diese Errungenschaften sind als Legitimationsgrundlage nicht mehr ausreichend.

Neue Herausforderungenbewegen die Bürger: Angst vor der Arbeitslosigkeit, die Aufnahmefähigkeit und Konsolidierung der EU und die „Grenzen Europas“, die Migration, Bedrohungen wie organisiertes Verbrechen und Terrorismus, Energiesicherheit und nicht zuletzt die rapide Globalisierung, die in die gefühlte „kleine Welt“ vieler eindringt.

Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen. Sie werden oft auf die EU projiziert. Europas Bürger erwarten viel von der Union — vielleicht zu viel. Jedenfalls muss die EU stärker als bisher gemeinsame Antworten auf diese grenzüberschreitenden Herausforderungen formulieren.

Gleichzeitig hat es den falschen Anschein, als würde Europapolitik auf einem fremden „Planeten Brüssel“ stattfinden, außerhalb jeder Kontrolle. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig und trägt zu einer gewissen „Entfremdung“ von Europa bei. Europapolitik ist manchmal auch zu „undurchsichtig“.

Drittens hatte die EU-Politik der letzten 15 Jahre ein sehr hohes Tempo. Doch wer zu sehr voranprescht, läuft zuweilen auch Gefahr, den Kontakt zum Bürger zu verlieren. Wir haben unsere Erfolge, vom Euro bis zur Erweiterung, nicht immer gut kommuniziert und die EU noch nicht konsolidiert.

All das erzeugt jenes „Unbehagen an Europa“, das sich 2005 herauskristallisiert hat.

Wir müssen diese Vertrauenskrise überwinden und den „Mehrwert“ Europas stärker herausarbeiten.

Dazu müssen wir den Verfassungsentwurf „auftauen“.

Dieser Text ist kein Bauplan für eine europäische Föderation. Er ist auch kein Quantensprung in einen unkontrollierbaren „Superstaat“. Europa ist nicht auf dem Weg zur „Verstaatlichung“. Die EU wird kein Hobbesscher „Leviathan“.

Wir können zwar mit den aktuellen Verträgen gut arbeiten. Aber letztlich brauchen wir für die EU der 25 oder 27 bessere „Spielregeln“.

Wir müssen die EU transparenter und effizienter machen; um die Menschen besser in Entscheidungen einzubinden, und um ihnen deutlichere Resultate zu liefern.

Es ist daher wichtig, dass wir die aktuelle Reflexionsphase nützen. Um einen breiten Dialog zu führen und dann, noch unter österreichischer Präsidentschaft, einen „Zeitplan“ für den weiteren Prozess festzulegen. Wir dürfen diesen — sicher komplexen - Prozess nicht abbrechen. Noch können wir einfach einzelne „Rosinen“ aus der Verfassung herauspicken.

Man hat die EU-Finalitätsfrage lange bewusst nicht beantwortet. Jetzt aber wollen die Bürger wissen, wohin die europäische Reise grundsätzlich geht.


III.

Meine Damen und Herren!

Ich komme damit zu einigen Ideen für die „Therapie“.

Es geht dabei nicht nur um die institutionelle „Form der EU“. Es geht vor allem um deren Funktion und letztlich um ihre Fundamente.

Zuerst zur „Form der EU“:

Es wäre falsch, Scheingegensätze zwischen einer „Wirtschaftsgemeinschaft“ und einer „politischen Union“, zwischen einem „angelsächsischen“ und einem „kontinentalen“ Modell herbeizureden.

Unser Erfolgsrezept ist ja, Souveränität zu bündeln, um gemeinsam stärker zu sein. Ein minimalistisches Europa wäre ein Irrweg.

Wir brauchen einen Mittelweg, eine gezielte Fokussierung der EU:

Auf die Verbesserung des Binnenmarktes, gerade im Dienstleistungsbereich, um Wachstum und Wohlstand zu schaffen;

Auf den Schutz der Sicherheit unserer Bürger in Europa und außerhalb; auf eine gemeinsame Energiepolitik; auf besseres Migrationsmanagement;

Und nicht zuletzt auf die Verbesserung unserer Präsenz auf der Weltbühne, das heißt auf eine effektivere EU-Außenpolitik.

Kurzum: Wir brauchen nicht „weniger Europa“, sondern ein besseres, um Vertrauen aufzubauen.

Alle Politik ist Problemlösen, auch auf EU-Ebene. Daran muss sich ihre Form orientieren.

Wir müssen sie in bestimmten Bereichen vertiefen. Wir müssen Verantwortung besser abgrenzen und so die „Zurechnungsfähigkeit“ der Europapolitik erhöhen. Wir müssen rascher agieren. Wir müssen der EU ein sozialeres Gesicht geben.

Und wir müssen herausstreichen, was die EU macht — und was nicht: Das heißt, die Subsidiarität mit Leben erfüllen. Daher hat die Kommission eine Initiative zur Deregulierung und „besseren Regulierung“ vorgestellt.

Tatsächlich aber müssen wir die Europapolitik stärker an die Bürger rückkoppeln. Deren Sorgen aufzugreifen, Lösungen zu entwickeln und diese zu kommunizieren: Das ist der Kern europäischer Demokratie.

Die EU soll nicht zu einem Projekt der Eliten werden. Sie braucht vor allem eine bessere demokratische Infrastruktur. Der „Sound of Europe“ ist der „Sound of Citizens“.

Er ist der Klang einer lebendigen Bürgergesellschaft, ohne die die EU nicht funktionieren kann. Gerade deshalb ist die aktuelle Debatte so wichtig.

Wir können die Euro-Skepsis aber nur mit einer gemeinsamen Anstrengung überwinden.

Wir brauchen eine echte Partnerschaft der Erneuerung, aus Kommission, Rat, Parlament, Sozialpartnern, Medien und vor allem den Bürgern selbst. Wir Europäer sitzen in einem Boot.


Vor allem unsere Mitgliedsstaaten sind als Transmissionsriemen gefragt. Die EU ist kein Soloinstrument, sondern ein „Orchester“. Die EU-Staaten müssen harmonisch „mitspielen“ und dieses Europa zum ihren machen.

Ich fordere hier keine falsche Harmonie. Demokratie lebt von der Debatte. Aber Schuldzuweisungen an den „Sündenbock EU“ sind kontraproduktiv, ebenso wie Alleingänge nicht hilfreich sind. Sie untergraben das essentielle Bürgervertrauen.

IV.

Meine Damen und Herren!

Ich komme damit zu einem zweiten Kernpunkt: Der Funktion der EU.

Integration ist kein Selbstzweck. Sie muss den Bürgern weiter Mehrwert liefern, d.h. es geht um Inhalte.

Die Verfassungsdebatte darf nicht zur institutionellen Nabelschau werden. Mehr Bürgernähe und Kommunikation sind wichtig. Aber sie sind nicht ausreichend für politisches Vertrauen.

Letztlich geht es um Inhalte. Ich habe daher neben dem „Plan D“ für mehr Debatte und Demokratie auch immer einen „Plan S“ für mehr Substanz gefordert.

Es ist gut, dass der österreichische Vorsitz beim EU-Frühjahrsgipfel zuerst über Inhalte sprechen will, bevor wir entscheiden, wie es mit der Verfassung weitergeht.

Einer der europäischen Gründerväter, Robert Schuman, hat 1950 geschrieben:

„Europa wird nicht auf einen Schlag erschaffen. Es wird durch konkrete Aktionen wachsen, die eine echte Solidarität bringen.“

Dieser Maxime müssen wir uns stärker besinnen.

Ich sehe vor allem eine neue „raison d’être“ der EU: Die Gestaltung der Globalisierung.

Die Globalisierung ist keine Option. Sie ist Realität. Wir sehen eine rasante Vernetzung, nicht nur der Wirtschaft, sondern auch von Information und Ideen.

Europa ist in dieser Ära der „Entgrenzung“ keine Insel, kein abgeschirmtes Paradies des Friedens. Wir können uns nicht behaglich in einer „Festung Europa“ einrichten. Die Zugbrücken hoch zu klappen wäre kontraproduktiv und fahrlässig. Das hieße, in die selbst gestellte „Globalisierungsfalle“ zu tappen.

Die EU ist nicht das Einfallstor der Globalisierung. Sie ist, ganz im Gegenteil, unsere gemeinsame politische Antwort auf diesen Prozess. Denn Europas Einzelstaaten sind nicht mehr in der Lage, dieser Herausforderungen Herr zu werden.

Die Union ist also eine echte Solidar- und Schicksalsgemeinschaft. Globalisierung endet nicht am Walserberg.

Natürlich stehen wir vor enormen Herausforderungen: Etwa neuen Sicherheitsrisiken, wie der Verbreitung von Nuklearwaffen und Terrorismus.

Wir sehen auch eine neue ökonomische Arbeitsteilung. So „produziert“ Indien etwa 250.000 neue Ingenieure pro Jahr. Chinas Forschungsausgaben werden 2010 so hoch sein wie jene der EU.

Und auch soziokulturell gibt es gewisse Bruchlinien, wenn auch keinen „Kampf der Kulturen“.


Aber Europas Untergang herbeizureden, wäre fatal. Ohne internationale Verflechtung wäre unser Wohlstand um ein Fünftel kleiner. Globalisierung ist kein Nullsummenspiel. Europa darf sich nicht verstecken. Es muss in die Offensive, um sein Lebensmodell zu vertreten und um globale Spielregeln festzulegen.

Dafür brauchen wir eine Außenpolitik neuen Typs.

Nehmen sie nur die Themen, die die Schlagzeilen beherrschen: Welthandel und Entwicklungspolitik, die Verbreitung von Nuklearwaffen und Epidemien; die Frage, wie wir Krisenregionen wieder aufbauen können; und nicht zuletzt Europas Energiesicherheit.

All das geht über die herkömmliche Diplomatie des 20. Jahrhunderts weit hinaus.

Die überwältigende Mehrheit der Europäer will eine genuin-europäische Außenpolitik. Wir sollten entsprechend handeln. Dazu brauchen wir vor allem eine stärkeren politischen Willen.

Bereits heute praktizieren wir dieses Globalisierungsmanagement, mit der EU-Kommission an vorderster Front. Europa ist heute ein entscheidender Machtfaktor.

Es geht also nicht um die völlige Neu-Erfindung einer EU-Außenpolitik, sondern um mehr Kohärenz und Effizienz, das heißt um ein besseres Zusammenspiel all unserer Instrumente.

Denken Sie an den jüngsten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine, als die EU Gespräche hinter den Kulissen mit ihrer Energiepolitik verbunden hat; das ist ein Paradebeispiel für europäischen „Mehrwert“;

Denken Sie an unseren Einsatz im Nahost-Friedensprozess, wo wir politische Vermittlung im „Nahost-Quartett“, wirtschaftliche Hilfe und Demokratisierung miteinander kombinieren, ganz aktuell im Kontext der Palästinenser-Wahlen;

Denken Sie an unser globales Netzwerk von detaillierten Verträgen, mit dem wir ein neues multilaterales System aufbauen, zum Schutz von Sicherheit und Umwelt.

Kurzum: Europa hat Erfolg, wenn es geeint auftritt, rasch agiert und das politische und wirtschaftliche Gewicht von mehr als 450 Millionen Menschen in die Waagschale wirft.

Diese Erfolge sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in Kernbereichen viel stärker werden müssen:

In der bereits genannten Energiepolitik. Beim Management von Migration, die wir brauchen, aber in geordnete Bahnen lenken müssen. Im Krisenmanagement und beim Kampf gegen die sozioökonomischen Wurzeln des Terrorismus.

Auch internbrauchen wir stärkere gemeinsame Ansätze, um fit für die Globalisierung zu werden:

Bei der Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben, die Europas eigentliche Jobmaschinen sind. Bei der Förderung von Forschung und Entwicklung, um im Technologiezeitalter bestehen zu können. Und nicht zuletzt beim Aufbau europäischer Spitzenuniversitäten.


Das heißt absolut nicht, dass wir eine einheitliche europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik schaffen. Das ist nicht Zweck der EU.

Wir brauchen eine Selbstverpflichtung der Mitgliedsstaaten im EU-Rahmen. Europa hat eine Rolle als „Katalysator“ für gute Ideen.

Die Kommission hat am Gipfel von Hampton Court Zukunftsstrategien zu diesen und anderen Themen vorgelegt, die wir jetzt in einem „Konzeptpapier“ weiter verfeinern. Das ist unsere gemeinsame europäische Agenda.

Kurzum: Die Globalisierung zu managen heißt nicht, Netzwerke zu zerreißen. Es heißt, sie fester zu knüpfen. Die Globalisierung kann nur als fairer Prozess funktionieren, in dem wir uns aktiv einbringen.

IV.

Meine Damen und Herren!

Politik erfolgt nicht im luftleeren Raum. Sie hat ein Fundament von Überzeugungen und Werten. Im Zeitalter der Globalisierung stellt sich daher die Frage der europäischen Identität

Was ist der „Sound of Europe“? Was ist der Klang, der uns verbindet? Was ist die Basis unseres EU-Erfolgsmodells?

Europa soll nicht nur die Köpfe sondern vor allem die Herzen der Menschen erreichen. Es ist nicht nur ein Wirtschaftsstandort, sondern vor allem ein geistig-kultureller Standort. Gerade in Zeiten tektonischer Umbrüche brauchen wir einen guten Kompass.

Einer der geistigen Vorreiter der Integration, Richard Coudenhove-Calergi, hat gemeint: „Ideen sind das Rohmaterial von Politik.“

Welche Ideen vertreten wir also? Um Goethe zu paraphrasieren: Was ist es, das Europa „im Innersten zusammenhält“.

Hier gibt es ein Paradoxon: Im globalen Dorf, das heißt außerhalb Europas, wird die EU sehr wohl als Einheit und wichtiger Akteur wahrgenommen: Als größter Wirtschaftsblock, als größter Geber von Entwicklungshilfe, aber vor allem als kulturelle Einheit, deren Ideale große Anziehungskraft haben.

Umgekehrt ist sich Europa seiner globalen Bedeutung oft nicht richtig bewusst.

Gerade die Erweiterung hat gezeigt, wie stark die magnetische Transformationskraft der EU-Grundwerte ist. Die EU ist ein Leuchtturm, dessen Ausstrahlung wir weiterhin mit Augenmaß einsetzen müssen.

Meine Damen und Herren!

Natürlich kann man den intellektuellen Reichtum Europas, seine Geschichte und Geschichten, nicht kurz zusammenfassen. Erlauben sie mir dennoch ein paar Gedanken.

Ich plädiere hier nicht für eine „EU-Monokultur“. Im Gegenteil, Europas Wahlspruch lautet nicht umsonst „In Vielfalt geeint“ — im Gegensatz zum amerikanischen „E Pluribus Unum“. Unsere Vielfalt ist unsere Stärke, gerade im Informationszeitalter. Die EU ist die erfolgreiche „Globalisierung im Kleinen“.


Das müssen wir uns vor Augen führen. Wenn ich hier die „Generation Erasmus“ sehe, die die intellektuelle Vielfalt quer durch Europa wie selbstverständlich lebt, die global vernetzt und lokal verwurzelt ist, die die wahrhaft „grenzenlosen“ Chancen Europas nutzt, dann mache ich mir darüber keine Sorgen.

Zweitens plädiere ich nicht dafür, Europa aus der Abgrenzung von anderen zu definieren. Wir müssen uns auf eigene Stärken berufen.

Deren Basis liegt für mich im Bekenntnis zu einer universellen Kultur der Freiheit. Um noch einmal Coudenhove-Calergi zu zitieren: „Freiheit ist keine Tugend. Sie ist die Voraussetzung aller Tugend.“

Freiheit ist die Grundlage für Demokratie und Menschenrechte. Sie ist der Kern unseres humanistischen Erbes und die Basis für Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und eine soziale Marktwirtschaft, wie wir sie in der neuen EU-Grundsrechtscharta in der Verfassung stärken wollen.

Denn auch das ist „europäisch“: Die richtige Mischung aus Selbstbestimmung und Bindung zu finden. Das gilt für die Freiheit des Einzelnen und die seines Eigentums, die nicht grenzenlos sind.

Denken Sie an unsere Verantwortung gegenüber unserem ökologischen Erbe; an die europäische Mischung zwischen unternehmerischer Freiheit und sozialer Sicherheit; und an unseren Einsatz für eine faire Globalisierung.

Schließlich steht Europa für die „Herrschaft des Rechts“ statt der „Herrschaft von Menschen“. Das zeigt sich auch global, etwa in unserem Einsatz für die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes.

Meine Damen und Herren!

Um diese Grundideen zu wahren, müssen wir sie international ausstrahlen. Die erfolgreiche Integration heißt keineswegs, dass sich unsere Politik jetzt in ideologischer Beliebigkeit erschöpfen könnte.

Im Gegenteil: In den letzten Jahren haben wir auchin Europa erfahren, wie kostbar Freiheit ist — und wie verletzlich.

Es geht bei Europas „Identitätssuche“ nicht nur um Europas innere „Verfasstheit“, sondern auch um seine internationale „Mission“.

Das ist nicht nur eine moralische Frage. Es ist auch in unserem aufgeklärten Eigeninteresse. Die Wurzeln aktueller Bedrohungen liegen in Rechtlosigkeit und fehlenden wirtschaftlichen Chancen. Nehmen Sie den „gescheiterten Staat“ Afghanistan; oder Teile des Nahen Ostens, wo geringe Mitbestimmung und fehlende Zukunftsperspektiven eine Minderheit in den Radikalismus treiben.

Kurzum: Es kann Europa nicht gleichgültig sein, wie andere Länder regiert werden. Deshalb ist Aufklärung im breiten Sinn langfristig die beste Sicherheitspolitik.

Natürlich kann man Demokratie und Rechtsstaat nicht einfach „exportieren“ oder aufoktroyieren. Das wäre ein Widerspruch in sich und zum Scheitern verurteilt.

Man kann aber mit Hilfe, Druck und Ermunterung dazu beitragen, dass Menschen ihre Sehnsucht nach Freiheit leben können.

Die EU betreibt keinen „Regimewechsel“. Sie hilft mit ihrer „Soft Power“ beim Systemwechsel.


Die EU ist damit auch international ein Modernisierungsinstrument: Durch die EU-Erweiterung; durch unsere Nachbarschaftspolitik, mit der wir Reformen und damit unsere eigene Sicherheit fördern; und global durch unsere Hilfsprogramme. „State Building“ ist eine außenpolitische Schlüsselaufgabe geworden.

Meine Damen und Herren!

Der Erfolg des „Modells Europa“ ist also ein Auftrag, unsere Ideen international einzubringen. Das wünschen sich auch unsere Bürger. Denken Sie nur an die breiten Sympathien bei den demokratischen Revolutionen in unseren Nachbarstaaten.

Diese globalen Chancen und Risiken schaffen ein neues Europa-Bewusstsein. Die Philosophen Jürgen Habermas und Pierre Bourdieu haben die Ablehnung des Irak-Krieges durch große Teile der EU-Bürger als konstituierendes Element eines gemeinsamen politischen Bewusstseins gesehen.

Ich bin nicht sicher, ob es ausgerechnet dieser Anlassfall war. Aber fest steht, dass in stürmischen Zeiten der Weltpolitik eine stärkere europäische Identität vonnöten ist.

Die Globalisierung hält uns einen Spiegel vor. Sie zwingt uns, zu definieren, wer wir sind und was wir politisch wollen. Sie ist daher auch eine Chance: Für eine stärkere Identifikation mit dem „Projekt EU“; Für eine „Wieder-Geburt“ Europas aus dem Geist der Außenpolitik.

V.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss.

Form, Funktion und Fundament der EU bedingen einander. Wir brauchen eine bessere Verfassung, damit die EU transparenter wird und in der Globalisierung funktioniert. Aber letztlich kann man ein Haus nur bauen, wenn das Fundament stimmt.

Ich wünsche mir daher für die nächsten Monate, rund um den Frühjahrsgipfel zur Wirtschaftspolitik und den Juni-Gipfel zum EU-Zukunftskalender, eine lebendige Debatte. Denn der „Sound of Europe“ ist nicht monoton, sondern eine Symphonie.

Vielleicht entsteht daraus ja die europäische Öffentlichkeit, die wir so dringend brauchen: Als politische Arena und als Keimzelle eines selbstbewussten „Demos“, der einen optimistischen „europäischen Traum“ formuliert, wie ihn der — amerikanische - Politologe Rifkin beschreibt.

Dabei rechne ich fest mit unserer Jugend. Sie sind die Botschafter des „European Way of Life“ und kritische aber konstruktive Architekten des Europas von morgen.

Einer der EU-Gründerväter, Jean Monnet, hat gemeint, es gebe zwei menschliche Dynamiken: Jene der Angst, und jene der Hoffnung. Als Europapolitikerin stehe ich für letztere. Der „Sound of Europe“ ist kein Klang in Moll, sondern in Dur.

Schließlich ist die Europahymne eine „Ode an die Freude“ — und nicht an den Pessimismus.

Ich danke Ihnen.

GroenDe enige partij die sociaal én milieuvriendelijk is.

www.groen.be

De Groenen/EVAGroenen en Europese Vrije Alliantie in het Europees Parlement.

www.greens-efa.eu

Samen ijveren voor een beter Europa en klimaat?